NACHTRAG zur
Abordnung, Gestellung, Leiharbeit, Zuweisung
Zur str. Rechtsfrage des aktiven SBV-Wahlrechts bei
• Abordnung von einer Dienststelle zu einer anderen
• Zuweisung von einer Dienststelle zu einer Einrichtung
vgl grdl.
Düwell in
ZTR-Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes, Ausgabe 10/2019,
„Personalvertretungsrecht im Widerstreit zum SGB IX – Die Wahlberechtigung abgeordneter, zugewiesener und abkommandierter schwerbehinderter Menschen“ Ferner
LPK-SGB IX, 5. Auflage 2019, § 177 Rn. 16 (am Ende), wie nachfolgend zitiert:
Soweit im Personalvertretungsrecht der Ausschluss von der aktiven Wahlberechtigung geregelt ist, hat dieser für die SBV-Wahlen keine Bedeutung, denn nach § 177 Absatz 2 SGB IX sind alle in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen wahlberechtigt.“BIH-Wahlbroschüre (Seite 39) hat geschrieben:Nach der Rechtsprechung zum Landespersonalvertretungsgesetz steht in Hessen Leiharbeitnehmern nach einer Beschäftigungsdauer von länger als drei Monaten ein aktives Wahlrecht zu. Diese Rechtsprechung ist auch auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in Hessen übertragbar (Kap. 3.1)
Sonderfall Leiharbeit in Hessen?NEIN - die Rspr. ist nicht „übertragbar“ auf SBV-Wahlen!
Das gilt
aus denselben Gesichtspunkten z.B. auch für in Dienststellen in Hessen (
HPVG) eingesetzte Leiharbeitskräfte, wonach stets ab dem ersten Tag für die SBV wahlberechtigt sind - unabhängig von einer über 3-monatigen Einsatzdauer beim Entleiher und unabhängig vom Personalvertretungsrecht in Hessen (ausführlich
VGH Hessen, 18.11.2010 – 22 A 959/10.PV, für PR-Wahlen);
a.A. wohl noch BIH-Wahlbroschüre, S. 42 für SBV-Wahlen, wonach „diese Rechtsprechung auch auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in Hessen übertragbar“ sei: Die VGH-Rechtsprechung ist - jedenfalls soweit es ums aktive PR-Wahlrecht in
HPVG-Dienststellen geht, auf die dortigen
SBV-Wahlen nicht „übertragbar“ – weil es schon an den Grundvoraussetzungen einer solchen das SBV-Wahlrecht einschränkenden „analogen“ Anwendung fehlt laut ständiger Rspr. (vergleiche zu den Voraussetzungen einer Analogie z.B. BAG vom 25.01.2018, 8 AZR 309/16, B II 2, sowie
BVerwG 22.09.2015, 5 P 12.14, Rn
34 zur PR-Wahl)
In Hessen gilt demnach für das aktive SBV-Wahlrecht in der Entleiherdienststelle nichts anderes als für den Rest der Republik - nämlich "
bei Eintritt" statt erst nach über drei Monaten Einsatzdauer in Hessen – seit jeher!
ZB Info 1|2018 (Seite 6) hat geschrieben:Noch Fragen? Wahlberechtigt sind auch schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden.
Sonderfall Leiharbeit in Betrieben?NEIN - kein bedingter Start dieses SBV-Wahlenrechts!
Auch diese BIH-Ansicht ist gleichfalls abzulehnen kraft Gesetzes, da es eine solche Beschränkung für die SBV-Wahl nicht gibt und
noch nie gab (vergl. oben). Nicht im öffentlichen Dienst und nicht in der Privatwirtschaft laut §
_177
Abs. 2 SGB IX, der solche (zeitlichen) Beschränkungen bewusst nicht vorsieht fürs akt. SBV-Wahlrecht bundesweit: Insoweit gab es keine Rechtsänderung für SBV-Wahlen seit
SchwbG 2000 – nicht durchs SGB IX 2001 – nicht durchs
BetrVG-RefG 2001 – nicht durchs BTHG 2016 – nicht durchs AÜG 2017, oder sonst. So schon § 21 Abs. 2 SchwbG 1974,
BGBl I 1974, Nr. 46, 1005, 1012:
(2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten Schwerbehinderten.Bei Leiharbeit beginnt demnach das akt. SBV-Wahlrecht beim Entleiher stets
bei Eintritt und nicht nur erst, wenn über drei-monatige Einsatzdauer
geplant ist – seit jeher! Dies deshalb, da § 177 Absatz 2 SGB IX keine derartige Bedingung als Wahlvoraussetzung enthält – laut klarem Gesetzeswortlaut entgegen noch herrschender Ansicht: Ausschlaggebend ist in all diesen Fällen – dass dort (jedenfalls teils)
Arbeitgeberfunktionen ausgeübt werden etwa durch das
gesetzliche Weisungsrecht i. S. des § 6
Absatz 2 i.V.m.
§ 106 GewO, und zwar von Anfang an; ebenso auch Dr.
Sachadae, Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, in einer über 50-seitigen systematisch-wissenschaftlichen Untersuchung – (
Dissertation 2013, Seite 123 ff.) – zu weisungsgebundenen Tätigkeiten.
RechtsvergleichEs wäre rechtsvergleichend auch komplett zweck- und sinnfrei, bei Leiharbeit in hessischen Dienststellen erst nach über 3-monatiger
tatsächlicher Einsatzdauer ein SBV-Wahlrecht anzunehmen - und z.B. in hessischen Betrieben nach einer über 3-monatigen
geplanten Einsatzdauer.
Beidem ist entschieden zu widersprechen! (Prof.
Düwell, LPK-SGB IX, §
_177 Rn. 16 Fußnote 70, wonach BIH-Begründung sowie die noch herrschende Lehrmeinung im Schrifttum klar abzulehnen ist).
ZusammengefasstBei
Abordnung und bei
Leiharbeit und bei Zuweisung beginnt das aktive SBV-Wahlrecht immer „bei Eintritt“ - von
_Rechts wegen laut § 177 Absatz 2 SGB IX, sowie §
_1
Absatz 2 SchwbVWO und § 4
Abs. 3 SchwbVWO, auch soweit das zuweilen für BR-/PR-Wahlen teilweise (noch) abweichend geregelt ist -
entgegen BIH-Ansicht bzw.
entgegen herrschender Meinung. Demnach weder „analoge“ Anwendung (mangels Gesetzeslücke!) noch entsprechende oder sinngemäße Anwendung (mangels Gesetzesverweise). Mehrere (
!) von Land zu Land verschiedene Analogien statt einer für ein und denselben Sachverhalt wären ohnehin von vornherein ein Widerspruch in sich – und m.E. schon deshalb denklogisch ausgeschlossen
!! Auf die Dauer des geplanten oder tatsächlichen Einsatzes kommt es nicht an.
Viele Grüße
Albin Göbel